Grafik Sprechstunde / Krankenhaus

Chronische Erkrankungen – zum Beispiel Depression und Demenz – verursachen große Aufwendungen im Gesundheitswesen, von dem Leid der Betroffenen mal ganz abgesehen. Zwei neue Studienprojekte zeigen, dass wir gerade bei diesen Krankheitsbildern viel mehr auf Prävention setzen sollten. Und noch eine Meldung, die – zumindest grundsätzlich – Hoffnung macht: In der Pflege schlummert ein großes Potenzial an top ausgebildeten Kräften, die in ihren Beruf zurückkehren (oder Stunden aufstocken) würden, wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern.

Die Meldungen:

» Bessere Arbeitsbedingungen = mehr Personal!
» Eltern wünschen sich mehr Integrative Medizin
» Rätseln und Essen gegen das Vergessen: neue Demenz-Studie in Arbeit
» Depression: Bewegung senkt Risiko


Bessere Arbeitsbedingungen = mehr Personal!

Klinik clipdealerBerlin, 1. Juni 2022. Mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte stünden in Deutschland durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung – sofern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern. Das ergibt die neue Studie „Ich pflege wieder, wenn…“, die kürzlich von der Arbeitskammer des Saarlandes, der Arbeitnehmerkammer Bremen, dem Institut Arbeit und Technik (IAT) sowie der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen vorgestellt wurde. Ein Ergebnis, das Mut machen sollte: Die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und 60 Prozent der Ausgestiegenen können sich eine Rückkehr in den Beruf bzw. ein Aufstocken der Arbeitsstunden vorstellen.

Ungenutztes Potenzial an Fachkräften

An der Online-Befragung „Ich pflege wieder, wenn…“ haben im vergangenen Jahr rund 12.700 ausgestiegene sowie in Teilzeit beschäftigte Pflegekräfte teilgenommen. Die Untersuchung rechnet das Potenzial für alle aufstockungswilligen Teilzeit-Pflegekräfte hoch, die sich eine Rückkehr vorstellen können. So ergibt sich ein rechnerisches Potenzial von 300.000 Pflegefachkräften in Vollzeit bei vorsichtiger Kalkulation, in einem optimistischen Szenario sogar von bis zu 660.000 Vollzeitkräften.

Mehr Personal, verbindliche Dienstpläne, bessere Entlohnung

Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Bedingungen ändern: vor allem durch mehr Personal, verlässliche Arbeitszeiten und eine bessere Bezahlung. Mehr Zeit für menschliche Zuwendung zu haben, nicht unterbesetzt arbeiten zu müssen und verbindliche Dienstpläne sind für die Befragten zentrale Bedingungen. Dafür ist es laut Studienverantwortlichen entscheidend, die Negativspirale aus problematischen Arbeitsbedingungen und daraus folgendem Rückzug aus der Pflege entgegenzuwirken und stattdessen zur Stundenerhöhung und Rückkehr in den Beruf zu motivieren.

Ähnliche Situation bei den Hebammen

Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Zeitmangel, personeller Notstand und fachfremde Tätigkeiten verursachen hohe Belastungen bei Hebammen, so dass 70 Prozent der Hebammen nur noch in Teilzeit arbeiten, den Kreißsaal verlassen haben oder sogar ganz aus dem Beruf ausgestiegen sind. Das will der DHV nicht hinnehmen: „Menschwerden muss in Deutschland unter menschlichen und höchsten Standards möglich sein“.

Einer DHV-Umfrage unter 3.516 teilnehmenden Hebammen zufolge würden 77 Prozent (2.718 Personen) wieder oder mehr im Kreißsaal arbeiten, „wenn die Eins-zu-eins-Betreuung der Frau garantiert ist, ich nur Hebammentätigkeit ausführen muss und hebammengeleitete Geburtshilfe nicht nur leere Worte sind“.

Kritisiert werden vom DHV unter anderem die bisherigen Fehlanreize: „Geburtshilfe in deutschen Kliniken lohnt sich de facto nicht. Und genau hier muss dringend ein Umdenken erfolgen. Klinische Geburtshilfe muss zu den gewinnbringenden Abteilungen eines Krankenhauses gehören und eine personalintensive Eins-zu eins-Betreuung ausdrücklich belohnt werden.“

Quellen:

„Neue Studie: Mindestens 300.000 zusätzliche Pflegekräfte durch Wiedereinstieg in Beruf oder aufgestockte Arbeitszeit möglich“, Pressemitteilung Arbeitskammer des Saarlandes, 3. Mai 2022
„Arbeitsbedingungen treiben Hebammen aus dem Beruf“, Deutsches Ärzteblatt, 5. Mai 2022

 

Eltern wünschen sich mehr Integrative Medizin

pexels cottonbro CIM PaediatrieBerlin, 1. Juni 2022. Mit dem Begriff Integrative Medizin wird eine Kombination aus evidenzbasierter Schulmedizin und komplementärmedizinischen Verfahren bezeichnet, in Deutschland sind Naturheilkunde, Anthroposophische Medizin und Homöopathie als komplementäre Therapieverfahren gesetzlich verankert. Auch in der Kinderheilkunde wächst die Nachfrage nach Integrativer Medizin.

Stationäre Angebote für Integrative Kinder- und Jugendmedizin gefordert

Wie beliebt die Integrative Kinder- und Jugendmedizin bei Eltern ist, hat eine aktuelle Studie untersucht, die kürzlich in der Fachzeitschrift Complementary Therapies in Medicine veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler:innen kamen zu folgendem Ergebnis: Von den 1.323 Eltern, die an der Studie beteiligt waren, gaben 40 Prozent an, dass sie für ihre Kinder Integrative Medizin bereits in Anspruch nehmen – besonders häufig wird bisher die Homöopathie genutzt, gefolgt von Osteopathie und Naturheilkunde. Und der Großteil der Eltern wünscht sich mehr: Mehr als 80 Prozent gaben an, dass sie sich mehr Angebote im Krankenhaus für integrativ ausgerichtete Kinder- und Jugendmedizin wünschen. Die große Mehrzahl der Eltern (88 Prozent) sagte außerdem, dass sie zusätzliche Angebote in diesem Bereich gerne nutzen würden, sogar auch Angebote, für die sie privat zahlen müssten.

Quelle:

„Integrative pediatrics survey: Parents report high demand and willingness to self-pay for complementary and integrative medicine in German hospitals“, Complementary Therapies in Medicine, 2021-08-01, Jahrgang 60, Artikel 102757

 

Rätseln und Essen gegen das Vergessen: neue Demenz-Studie in Arbeit

pexels demenz studie swiftBerlin, 1. Juni 2022. Häufig fängt es mit leichten Gedächtnisschwierigkeiten an – das Merken funktioniert nicht mehr so gut wie früher, die Konzentration lässt nach. Bei ungefähr 70 Prozent der Betroffenen über 60 Jahren führen solche leichten kognitiven Beeinträchtigungen innerhalb von fünf Jahren zu Demenz. Mit „BrainFit-Nutrition“, einer Studie des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Erlangen in Kooperation mit der Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde, soll erforscht werden, ob und wie diese Entwicklung ohne pharmakologische Maßnahmen gestoppt werden kann.

Betroffene für Online-Teilnahme gesucht

Für die Studie „BrainFit-Nutrition“ werden bundesweit noch Teilnehmer:innen gesucht: In der Studie trainieren Sie mit Hilfe von spielerischen Computerprogrammen Ihre Konzentration, das Gedächtnis und weitere kognitive Fähigkeiten. Die Übungen beinhalten beispielsweise Rätsel, Puzzle und andere Denksportaufgaben.

Auch die Ernährung wird angeschaut, insbesondere der Effekt von pflanzenbetonter und vollwertiger Ernährung auf die geistige Gesundheit. Um Sie dabei zu unterstützen, können Sie sich als Teilnehmer:innen in den ersten sechs Monaten an einer zweiwöchentlich stattfindenden Ernährungsgruppe anschließen, außerdem gibt es monatlich ein kostenloses Nahrungsmittelpaket.

Um allen Interessierten innerhalb Deutschlands die Teilnahme zu ermöglichen, findet die Studie ausschließlich online statt. Benötigt werden: ein internetfähiger PC, Laptop oder ein Android-Tablet (kein Apple-Tablet) mit Kamera, Mikrophon und Lautsprecher.

Das Angebot richtet sich an Menschen ab 60 Jahren. Eine Teilnahme am Projekt ist möglich, wenn sich bei Ihnen in einer Voruntersuchung eine leichte kognitive Beeinträchtigung feststellen lässt. Diese Voruntersuchung wird als Videosprechstunde durchgeführt.

Mehr erfahren?

Mehr Informationen zum Projekt und zum Ablauf der Studie gibt es unter www.brainfit-nutrition.de

 

Depression: Bewegung senkt Risiko

pexels nataliya vaitkevich DepressionBerlin, 1. Juni 2022. Für die psychische Gesundheit zählt offenbar jeder Schritt. Einer in JAMA Psychiatry publizierten Metaanalyse zufolge sind auch überschaubare körperliche Aktivitäten mit einem signifikant reduzierten Depressionsrisiko verbunden, wie das Deutsche Ärzteblatt kürzlich berichtete.

Für die britische Studie analysierten die Wissenschaftler:innen 15 prospektive Kohortenstudien mit insgesamt 191.130 Teilnehmenden und mehr als 2 Millionen Personenjahren Nachbeobachtung. Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass körperliche Bewegung positive Auswirkungen auf das Auftreten einer Depression hat. Besonders ausgeprägt waren die Unterschiede im Depressionsrisiko bei den Teilnehmenden, die sich am wenigsten bewegten.

Schon wenig Bewegung ist hilfreich

Im Vergleich zu Personen, die angaben, sich praktisch gar nicht zu bewegen, hatten diejenigen, die auf die Hälfte der wöchentlichen WHO-Empfehlung (pro Woche 150 bis 300 Minuten Bewegung von moderater Intensität oder 75 bis 150 Minuten Bewegung von hoher Intensität) kamen, ein um 18 Prozent niedrigeres Depressionsrisiko. Bei Personen, die die empfohlene Menge an körperlicher Aktivität pro Woche erreichten, war das Depressionsrisiko um 25 Prozent reduziert. „Unsere Metaanalyse deutet darauf hin, dass körperliche Aktivität mit einem signifikanten Nutzen für die psychische Gesundheit einhergeht, der schon bei Aktivitätsmengen weit unterhalb der offiziellen Empfehlungen zu beobachten ist“, schlussfolgern die Autor:innen.

Interessanterweise hat mehr als die empfohlene Bewegung nicht gleichzeitig mehr Auswirkungen auf das Depressionsrisiko: „Hinsichtlich des Depressionsrisikos hat es offenbar keinen Vorteil, über die empfohlene Menge an körperlicher Aktivität hinauszugehen“, so die Forscher:innen.

Mehr erfahren?

„Schon wenig Bewegung könnte Risiko für Depressionen reduzieren“, Deutsches Ärzteblatt, 6. Mai 2022