Deutscher Bundestag / Plenum

Strammes Programm für die Gesundheitspolitik: Etwa ein Dutzend teils umfangreiche Gesetze steht noch bis Weihnachten auf der Agenda. Und einige der Vorhaben bergen durchaus Konfliktpotenzial – Stichwort Organspende oder Impfpflicht. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Endlich sind die Antibiotika-Verordnungen bei niedergelassenen Ärzten zurückgegangen. Und in der Pflege gibt es neue Pläne.

Die Meldungen:

» Viele Gesetzesvorhaben, wenig Zeit
» Organspende: Widerspruch zur Widerspruchslösung
» Neues aus der Pflege
» Weniger Antibiotika verordnet

 Viele Gesetzesvorhaben, wenig Zeit

Pixabay bank 3503689 1920Berlin, 4. September 2019. Die Zeit wird knapp: Im Juli hatte das Bundeskabinett vier neue Gesetze verabschiedet: MDK-Reformgesetz, Digitale-Versorgung-Gesetz, Masernschutzgesetz und das Gesetz zur Stärkung der Apotheken vor Ort.

Nun müssen alle vier noch das komplette parlamentarische Programm durchlaufen: jeweils drei Lesungen im Bundestag, Anhörung im Gesundheitsausschuss und zwei Durchgänge im Bundesrat. Auch die Beratungsprozesse für das Implantate-Register, die Reform der Psychotherapie-Ausbildung und das zukünftige Profil der Hebammen sind noch lange nicht abgeschlossen. Ganz aktuell liegt ein weiterer Entwurf für ein Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz auf dem Tisch, vom stark umstrittenen Faire-Kassenwahl-Gesetz ganz zu schweigen. Auch am MDK-Reformgesetz gibt es viel Kritik.

Umstrittene Impfpflicht

„Bei den meisten Vorhaben wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit viel Gegenwind rechnen müssen. Die vorgesehene Ausgestaltung bleibt entweder blass oder erscheint fragwürdig – so zum Beispiel beim geplanten Masernschutzgesetz, das Spahn entgegen der Meinung von vielen Experten trotzdem durchdrücken will“, so Barbara Wais, Geschäftsführerin des DAMiD. „Es ist höchst zweifelhaft, ob dieses Vorhaben einer juristischen Prüfung standhält. Wir positionieren uns nicht nur aus rechtlichen, sondern vor allem aus inhaltlichen Gründen klar dagegen.“

 

Organspende: Widerspruch zur Widerspruchslösung

Pixabay surgery 3034089 1920Berlin, 4. September 2019. Gesundheitsminister Jens Spahn hatte es sich so schön vorgestellt: Die Zahlen der Organtransplantationen sollen endlich nach oben gehen. Dafür wurden nicht nur strukturelle Änderungen in den Kliniken beschlossen, sondern auch gleich krätig Druck gemacht: Wer einer Organspende nicht explizit widerspricht, soll zukünftig automatisch Organspender sein, so Spahns Pläne, die er gemeinsam mit einer Gruppe von Abgeordneten als „Widerspruchslösung“ vorgestellt hat.

Selbstbestimmt entscheiden

Diesen Plänen hatte eine andere Gruppe von Parlamentariern einen anderen Entwurf entgegengestellt: Die Bürgerinnen und Bürger sollen mindestens alle zehn Jahre aktiv (zum Beispiel bei der Ausstellung eines Personalausweises) nach ihrer Entscheidung befragt und auch die Ärzte in die Aufklärung stärker eingebunden werden. Ein bundesweites Online-Register soll ebenfalls entstehen.

Am 25. September 2019 findet eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages statt. Im Vorfeld haben sich nun auch die früheren Bundesgesundheitsminister Ulla Schmidt (SPD) und Hermann Gröhe (CDU) gegen Spahns Pläne ausgesprochen. „Es ist schon sehr ungewöhnlich – und zeigt die hohe Brisanz des Themas –, dass sich gleich zwei frühere Bundesminister in aktuelle Gesetzgebungsverfahren einmischen und so deutlich Position beziehen“, kommentiert Barbara Wais für den DAMiD. „Die Botschaft ist klar: Eine Organspende ist und bleibt eine zutiefst persönliche Entscheidung – dementsprechend kann es auch keinen Automatismus geben.“

 

Neues aus der Pflege

Menschlich Pflegen Pflege1Berlin, 4. September 2019. In der Pflege wurden im August 2019 vor allem zwei Themen diskutiert bzw. in Gesetzesvorhaben gegossen:

Angehörige finanziell entlasten

Zum einen hat das Bundeskabinett beschlossen, dass Kinder von Pflegebedürftigen künftig weit seltener als bisher zur Kasse gebeten werden sollen, so will es das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Nur wer mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verdient, soll finanziell für den Unterhalt von pflegebedürftigen Eltern belangt werden. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen.

Neue Ideen für die Personalausstattung?

Zum anderen steht das Thema Personalmangel in der Pflege weiter (und sehr berechtigt) auf der Agenda. Denn die bisher beschlossenen finanziellen Mittel für mehr Pflegepersonal bedeuten ja nicht automatisch, dass nun auch mehr Pflegende zur Verfügung stehen. Auch die Debatte um Untergrenzen und Mindestvorgaben in der Pflege haben noch nicht zur Verbesserung der Personalausstattung geführt.

Nun gibt es einen neuen gemeinsamen Vorstoß von Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Gewerkschaft Verdi. Zusammen mit dem Deutschen Pflegerat (DPR) wollen die beiden Organisationen bis Jahresende ein „Instrument“ vorschlagen, mit dem der Personalbedarf an Pflegekräften künftig besser ermittelt werden soll. Das Instrument soll sich am jeweiligen Pflegebedarf orientieren. Bessere Arbeitsbedingungen seien das beste Mittel gegen den Fachkräftemangel, so die Initiatoren.

 

Weniger Antibiotika verordnet

Pixabay doctor 4229348 1920Berlin, 4. September 2019. Hoffentlich ein Trend und nicht nur eine Momentaufnahme: Die Verordnungen von Antibiotika durch niedergelassene Ärzte sind in den letzten Jahren in Deutschland signifikant zurückgegangen. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), die Ende August 2019 veröffentlicht wurde. Die Studie umfasst eine Untersuchung der Verordnungshäufigkeit von Antibiotika für gesetzlich Versicherte in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2018.

Starker Rückgang in der Kindersprechstunde

Festgestellt wurde ein Rückgang um insgesamt 21 Prozent. Besonders stark rückläufig (minus 41 Prozent) waren Verordnungen insbesondere für Kinder und Jugendliche. Bei Neugeborenen und Säuglingen wurde der deutlichste Rückgang beobachtet. Ein Grund für den signifikanten Rückgang der Verordnungsraten könnten die Initiativen zur Stärkung eines angemessenen Antibiotikaeinsatzes sein, so die Wissenschaftler.

„Im europäischen Vergleich steht Deutschland bei den Antibiotika-Verordnungen gar nicht so schlecht da“, ergänzt Barbara Wais, Geschäftsführerin des DAMiD. „Trotzdem ist das kein Grund, sich jetzt auszuruhen. Die Anthroposophische Medizin zeigt seit Jahrzehnten, dass ein zurückhaltender Umgang mit Antibiotika in Klinik und Praxis sinnvoll und möglich ist.“

Studie:

Holstiege J, Schulz M, Akmatov MK, Steffen A, Bätzing J. Update: Die ambulante Anwendung systemischer Antibiotika in Deutschland im Zeitraum 2010 bis 2018 – Eine populationsbasierte Studie. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 19/07. Berlin 2019. https://doi.org/10.20364/va-19.07