Bundestag // Plenum


Es darf wieder gestritten werden: Statt reiner Durchhalteparolen auf der einen und kruder Verschwörungstheorien auf der anderen Seite ist nun wieder mehr Platz für Zwischentöne, für (berechtigte) Einwände, für kritische Stimmen. Zum Beispiel kritisieren die KinderärztInnen zu Recht, dass die Bedürfnisse von Kindern- und Heranwachsenden bislang völlig untergegangen sind… Auch am neuen Gesetzesentwurf von Jens Spahn gibt es manches auszusetzen. Das gilt übrigens auch für die neue Stellungnahme des Ethikrates zur Robotik in der Pflege, die beim Verband für Anthroposophische Pflege echtes Entsetzen hervorgerufen hat. Und noch etwas zur Digitalisierung: Die elektronische Patientenakte soll nun tatsächlich nächstes Jahr kommen.

Die Meldungen:

» Neues Gesetz: Medizinische Versorgung in Corona-Zeiten
» Kinder sind mehr als Virusträger!
» Robotik in der Pflege?
» Neues zur Patientenakte

 

Neues Gesetz: Medizinische Versorgung in Corona-Zeiten

DeutscherBundestag AchimMeldeBerlin, 2. Mai 2020. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“, mit diesen Worten hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine neue Phase im Umgang mit der Corona-Pandemie eingeläutet und angekündigt, dass es in den Kliniken bald wieder mehr Normalbetrieb geben soll. Gleichzeitig hat er den Entwurf zu einem zweiten „Bevölkerungsschutzgesetz“ vorgelegt: Mehr und schnellere Tests (zum Beispiel in Pflegeheimen), mehr Meldepflichten und mehr technische Ausstattung für die Gesundheitsämter sind einige der Stichworte.

Änderungen soll es auch im stationären Bereich geben, zum Beispiel bei den Abrechnungsprüfungen durch die Krankenkassen. Modellvorhaben zur automatisierten Arzneimittelversorgung in den Kliniken sollen erprobt werden.

Auch der „Corona-Bonus“ für Pflegekräfte soll mit dem Gesetz auf den Weg gebracht werden – und schon gab es viel Streit um die Finanzierung dieser Maßnahme. „Allerdings darf man über Sinn und Zweck dieser Maßnahme geteilter Meinung sein“, sagt Barbara Wais, Geschäftsführerin des DAMiD. „Seit Jahren wird die Pflege kaputt gespart. Nun soll es einmalig ein Bonus richten. Das ist das Gegenteil von nachhaltiger Pflegepolitik. Dabei zeigt sich dieser Tage doch ganz deutlich, wie existenziell eine gute Pflege ist.“

 

Kinder sind mehr als Virusträger!

Pexels Hüpfen WebBerlin, 2. Mai 2020. Endlich gerät eine Gruppe stärker in den Blick, die vielleicht die größten Einschränkungen in der Corona-Krise aushalten: Kinder und Jugendliche. In einer Stellungnahme kritisiert die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ): „Kinder und Jugendliche wurden in den bisherigen Entscheidungsprozessen nicht als Personen mit ebenbürtigen Rechten gesehen, sondern als potentielle Virusträger. Sie wurden in ihren Lebenswelten massiv eingeschränkt, nicht zum eigenen sondern zum Schutz Anderer. Die Betrachtung von Kindern nicht aus ihrer eigenen Perspektive sondern als ‚Mittel zum Zweck‘ widerspricht ihrer persönlichen Würde.“

In den politischen Beratungsgremien säßen bislang keine Interessenvertreter von Kin¬dern und Jugendlichen. Bei den nächsten Gesprächen über mögliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen müssten endlich auch die Bedürfnisse der Kinder in den Blick genommen werden, fordern die DAKJ und inzwischen auch andere Gremien, Verbände und Fachgesellschaften. „Es hat lange gedauert, dass wir uns damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen die Einschränkungen auf Kinder und Jugendliche haben“, kommentiert Barbara Wais, Geschäftsführerin des DAMiD. „Da zeigt sich mal wieder: Kinder bzw. Familien haben in Deutschland keine starke Lobby. Das muss sich ändern. Kinder und Jugendliche bzw. ihre Fürsprecher müssen gerade jetzt gehört werden.“

Hier geht’s zur Stellungnahme der » DAKJ

Robotik in der Pflege?

PflegeBerlin, 2. Mai 2020. Mitte März hat der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme von Robotern in der Pflege vorgelegt. Darin kommt das Gremium zu dem Schluss, dass – gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels und den wirtschaftlichen Bedarfen der Robotikindustrie – Roboter in der Pflege „einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen und der Arbeitsqualität im Pflegebereich“ leisten könnten.

Der Verband für Anthroposophische Pflege (VfAP) kritisiert diese Perspektive scharf: „Damit bedient sich der Ethikrat einer Argumentation, die für die Pflege von Menschen fatale und weitreichende Konsequenzen hat. Sie rührt an den Nerv des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der in der Begegnung von Mensch zu Mensch wurzelt.“

Dass es gerade in der Pflege auf den Faktor Menschlichkeit ankomme, werde vom Ethikrat nicht berücksichtigt: „Es wird zwar zugegeben, dass Maschinen kommunikative und emotionale Qualitäten der Pflege in den Hintergrund drängen könnten, aber es wird dann lediglich festgestellt, dass Roboter den zwischenmenschlichen Kontakt nicht ersetzen, sondern ihn ergänzen sollen. Wie die menschliche Begegnung gefördert und gesichert werden kann, damit sie nicht von der Funktionalität der Technik verdeckt und erkältet wird, beschreibt der Ethikrat nicht.“

Für den VfAP kommt die Haltung des Ethikrates einer Bankrotterklärung gleich: „Robotische Hilfen könnten eine letzte Option sein, so wie ein Kaiserschnitt notwendig sein kann. Wäre er die Regel, so wäre es die Kapitulation vor dem Menschenmöglichen. […] Technische Lösungen mögen ihren Teil zur Überwindung der Pflegekrise beitragen. Gefährlich wird es, wenn hierzu Konzepte eingeführt werden, welche den Kern menschlicher Beziehung, die gegenseitige Fürsorge im Hinblick auf ein sinnerfülltes Leben auf ein Versorgungsproblem reduziert. Genau dies tut der Deutsche Ethikrat mit seiner Stellungnahme.“

Zur Stellungnahme des » VfAP

Zur Stellungnahme des » Deutschen Ethikrates

 

Neues zur Patientenakte

Stethoscope Pixabay StocksnapBerlin, 2. Mai 2020. Das Bundeskabinett hat Anfang April einen Entwurf für ein Patientendatenschutzgesetz (PDSG) an den Bundestag weitergereicht. Mit dem Gesetz soll der Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen gefördert werden. Ziel der Regierung ist laut Entwurf eine weitestgehende Zusammenarbeit und Vernetzung der Gesundheitsberufe. Auch die Hebammen und Physiotherapeuten sollen Zugriffsmöglichkeiten erhalten.

Inhaltlich geht es um Folgendes:

  • Elektronisches Rezept: Ab Januar 2022 soll die elektronische Verordnung von Arzneimitteln Pflicht werden. Eine App auf dem Smartphone soll es dem Patienten ermöglichen, das Rezept einzulösen.
  • Digitale Überweisung: Überweisungsscheine sollen künftig in elektronischer Form übermittelt werden können. Darauf sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassen verpflichtet werden.
  • Elektronische Patientenakte: Mit dem 1. Januar 2021 startet die elektronische Patientenakte – und gilt daher als „besonders eilbedürftig“. Die gesetzlich Versicherten sollen klar geregelte Ansprüche gegenüber Vertragsärzten, Krankenhäusern und weiteren Leistungserbringern erhalten. Die Nutzung der Akte soll aber freiwillig bleiben. In einer ersten Umsetzungsstufe werden die zugriffsberechtigten Leistungserbringer alle Daten des Patienten einsehen können, es sei denn er löscht sie. Später soll es möglich sein, dass die Versicherten die in der Akte enthaltenen Dokumente jeweils für einzelne Ärzte und weitere Leistungserbringer freischalten können.

Das Gesetz muss nicht vom Bundesrat abgesegnet werden.