7. Komplementärmedizinische Gespräche: Welchen Beitrag kann die Integrative Medizin zur Kosteneindämmung im Gesundheitswesen leisten?

Vor dem Hintergrund steigender Gesundheitsausgaben stellt sich einmal mehr die Frage, wie sich Gesunderhaltung und Gesundheit in unserer Gesellschaft effizient errei-chen lassen. Welchen Beitrag kann die Komplementärmedizin dazu leisten? Um diese zentralen Fragestellungen ging es bei den 7. Komplementärmedizinischen Gesprächen am 25. April in Berlin. Rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen, um mit Experten und Politikern die Mechanismen und Anreize einer Integrativen Medizin innerhalb des Gesundheitssystems zu diskutieren. Eingeladen zu dem Gespräch hatten die Hufelandgesellschaft e.V. - Dachverband der Ärztegesellschaften für Naturheilverfahren und Komplementärmedizin - und der Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD).

Im ersten Impulsvortrag stellte Dr. Günther Spahn, Leitender Arzt an der Klinik Öschelbronn, aktuelle Forschungsergebnisse zur Integrativen Onkologie vor. Spahn stellte Ergebnisse vor, nach denen sich die Überlebenszeit der PatientInnen verlängert, wenn komplementärmedizinisch ausgerichtete Therapieverfahren in die konventionelle Krebsbehandlung einbezogen werden. Mehrkosten waren dadurch nicht entstanden. In der Palliativsituation sei der Integrative Ansatz der Anthroposophischen Medizin zwar leicht teurer gewesen - dafür aber auch die Lebensqualität der Patienten höher. Vor diesem Hintergrund sei es dringend erforderlich, in zukünftigen Studien mehr Daten zur Lebensqualität zu erheben, um medizinische Verfahren in ihrer Effektivität in Gänze vergleichen zu können, so der Onkologe.

Peter Zimmermann vom Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und Vorstandsmitglied des DAMiD fokussierte vor allem auf die Stärken der Integrativen Medizin in der ambulanten Versorgung und erläuterte anhand von Studien aus der Schweiz und den Niederlanden, dass Hausärzte mit komplementärmedizinischer Zusatzqualifikation den Nutzen für den Patienten klar erhöhen, dabei aber weniger veranlasste Kosten pro Patient entstehen. Zimmermann stellte außerdem Ergebnisse des "Modell Herdecke" (2000 bis 2008) vor, bei dem ein verändertes Honorarmodell mit Praxis-individuellen Fallpauschalen durchaus positive Anreize setzen konnte. Die Arzneimittelausgaben wurden gesenkt, pro Patient konnten sich die Ärzte mehr Zeit nehmen: "Unter günstigeren Anreizbedingungen und mit einer eigenen Steuerungsverantwortung können Ärzte, die Integrative Medizin praktizieren, einen wesentlichen Beitrag zu mehr Kosteneffektivität leisten", so das Fazit.

Prof. Dr. Gustav Dobos, Direktor der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte und Vorstandsmitglied der Hufelandgesellschaft e.V., stellte Beispiele für nachweislich ineffektive konventionelle Behandlungsmethoden vor, die dennoch komplett erstattet werden. Am Beispiel der stabilen koronaren Herzerkrankung wurde deutlich, dass komplementäre Therapien - eingebunden in eine konventionelle medikamentöse Therapie - den kostenintensiven Einsatz von Stents und Bypässen ersetzen können. "Wir kommen um den Einsatz einer Integrativen Medizin nicht herum, denn Stress und Lebensstilfaktoren sind ursächlich für viele Krankheitsbilder oder sind deren Begleiterscheinungen. Komplementäre Verfahren können hier präventiv wirken und in der Akutsituation mehr Anreize zur nachhaltigen Gesundung geben."

In welchem ökonomischen Ausmaß die demographische Entwicklung in Deutschland das Gesundheitssystem fordert, stellte Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (Rheinisch-Westfälisches Institut, Essen) dar. Als Mitglied in der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität" des Deutschen Bundestag nahm er wie folgt Stellung: "Es ist sehr sinnvoll und effektiv, bei den Gesundheitsausgaben anzusetzen und genau hinzuschauen, was sinnvoll und wirkungsvoll ist", betont er. Genau hier lägen - im Vergleich zu anderen Sicherungssystemen in der Gesellschaft - die größten Einsparpotenziale. Ziel müsse es sein, den durchschnittlichen Kostenverlauf im mittleren Lebensalter zu verlängern, um gesund alt zu werden, auch durch bessere Präventions- und Reha-Angebote.

Im zweitem Teil der Veranstaltung kamen - unter der Moderation von Marion Cas-pers-Merk, Staatssekretärin a.D. und Präsidentin des Kneippbundes - die Gesundheitspolitiker der Fraktionen aus dem Bundestag zu Wort. Gefragt, wie die Parteien gesundheitspolitisch mit der Herausforderung einer alternden Gesellschaft umgehen werden, überraschte die Antwort von Dr. Rolf Koschorrek (CDU): "Die Politik muss an dieser Stelle noch ehrlicher werden." Einigkeit herrschte bei allen Politikern dahingehend, dass die Organisation der medizinischen Zusammenarbeit über die verschiedenen Sektoren und Fachbereiche hinweg besser organisiert und transparenter werden müsse. Die Forderung nach einer Lotsenfunktion für die Patienten wurde von der CDU vorgetragen, wobei Dr. Marlies Volkmer (SPD) diese Rolle durchaus bei den Hausärzten sah, deren Stellung ausgebaut werden müsste. In der Prävention und auch bei zunehmender Alterung der Patienten könne die Integrative Medizin hier gute Ansätze bieten.

Auf die Frage, ob im bestehenden Gesundheitssystem die richtigen Impulse gegeben werden, meinte Lars Lindemann (FDP), dass es durchaus eine größere Flexibilität in der Verabredung von Leistungsinhalten geben könne. Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) erkannte in der Komplementärmedizin richtige Impulse, erläuterte jedoch, dass es neuer Steuerungssysteme bedürfe, die weniger zentral, sondern verstärkt dezentral auf die Anforderungen der Menschen in der Region ausgerichtet sein sollten: "Ärzte und Patienten gewinnen dadurch vor Ort mehr Kompetenz und Eigenverantwortung bei der Ausrichtung der medizinischen Angebote und somit auch ein Mehr an Wahlfreiheit."

Insgesamt begegnete die Politik der Forderung nach Aufnahme komplementärer Verfahren in den Leistungskatalog der GKV - aufgrund der bekannten Potentiale zum Beispiel in der Prävention und auch in der Palliativmedizin - mit dem Verweis auf den zu erbringenden Wirksamkeitsnachweis. Trotzdem hieß es: "Die Instrumentarien des Gemeinsamen Bundesausschusses können aber durchaus politisch überprüft werden." Zum Thema Wirksamkeitsnachweis wurde aber auch im Austausch mit dem Plenum deutlich, dass es eben keine Chancengleichheit bei den Rahmenbedingungen für konventionelle und komplementäre Medizin bzw. für die komplementärmedizinische Forschung gibt. Alle Lehrstühle für Komplementärmedizin sind in Deutschland stiftungsfinanziert. Dazu Maria Klein-Schmeink: "Warum hier nicht besondere Budgets bereitstellen? In anderen Bereichen werden Innovationen ja auch gesondert gefördert." Eine Anregung, die sinnvoll erscheint und die mit spontanem Applaus begrüßt wurde.

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Der DAMiD repräsentiert die Anthroposophische Medizin in allen gesellschaftlichen Bereichen des deutschen Gesundheitswesens. Als Dachorganisation vertritt der Verband die übergeordneten Belange und Interessen seiner 17 Mitglieder. Mitgliedsorganisationen sind Berufs- und Patientenverbände, Klinikverband, gemeinnützige Altenhilfe, Behindertenhilfe sowie Hersteller Anthroposophischer Arzneimittel.