Medizinisches Seminar Bad Boll
»Heute ist die gute alte Zeit von morgen!«. Kennen Sie die Momente, in denen Ihnen von einer älteren Generation erklärt wird, was früher alles besser war? Und kennen Sie auch die, bei denen Sie die gleiche Botschaft der nächstjüngeren Generation mitteilen? Entlastend oder ernüchternd ist, dass diese wiederum selbigen Inhalt der ihr folgenden Generation mitteilen wird. Wäre damit morgen die gute alte Zeit von übermorgen?
Das Schwelgen in der Vergangenheit ist die eine Versuchung, der wir schnell und oft erliegen, die andere ist die innere Fixierung auf zukünftige Zeiten: »Wenn ich älter bin, dann leiste ich mir… Wenn ich in Rente bin, dann mache ich endlich …«. Jeder hat seine eigene Agenda, was noch alles kommen soll, wenn man älter ist, nur, dazu muss man älter werden. Was nun, wenn man alt ist? Macht man dann noch das Geplante, will man es dann noch bzw. kann man es noch? Jeder möchte es werden, keiner möchte es sein: alt! Was bedeutet nun gesundes Altern? Möglicherweise ganz einfach: Statt in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu verharren im Hier und Jetzt zu leben, denn wenig besser ermöglicht das Gefühl von »for ever young« wie beseelte und gelebte (Geistes-) Gegenwart – das darf ganz wörtlich verstanden werden.
Schauen wir auf das Weisheitsvolle der Komposition unserer Leiblichkeit, so haben wir mit dem im Kopfbereich betonten Nerven-Sinnes-System Organstrukturen, deren Zellen unter dem Mikroskop eher »alt« ausschauen, zumindest versprüht eine Nervenzelle nicht das Bild organischer Lebendigkeit. Stattdessen: verlangsamtes Wachstum, eingeschränkte leibliche Regeneration, der Kopfbereich wird ruhig gehalten. Das sind alles Signaturen, die zu einem älteren Menschen passen. Dafür sind jedoch Grundlagen, dass Bildekräfte nicht mehr so intensiv im Physischen wirken, sondern metaphysisch agieren, Geistiges immer mehr in Erscheinung treten kann. Polar dazu dominiert Bewegung und Lebendigkeit im Stoffwechsel-Gliedmassen-Bereich, eine Signatur des jungen Menschen. Die Darmschleimhaut einer 80-Jährigen ist an ihrer Oberfläche gerade einmal 10 – 14 Tage alt, leibliche Regenerationskräfte als Dauerprogramm. Organisch betrachtet wird gesundes Altern besonders durch genügend Bewegung und gesunde Ernährung gefördert. Bis zu 80 % der Kosten im Gesundheitssystem westlicher Zivilisationen entstehen aufgrund der Folge von Bewegungsmangel und anhaltend schlechter Ernährung. Anti-Aging ist also immer auch Stärkung des Stoffwechsel-Gliedmaßen-Systems, der Jugend-Kräfte in uns. Zwischen dem Nerven-Sinnes- sowie dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System liegt anatomisch und funktionell das cardio-respiratorische Organ-System, das von Rudolf Steiner in seiner Forschung zur Dreigliederung des Menschen als Rhythmisches System bezeichnet worden ist. Rhythmus bedeutet die gesunde Mitte zwischen gleichförmigem Takt und Chaos, Rhythmus bedeutet gelebter Ausgleich im Hier und Jetzt, Rhythmus bedeutet Leben, ermöglicht Eu-Aging in der Leibesmitte. Damit haben wir mit der Dreigliederung unserer Leiblichkeit ein organisches Vorbild, was gesundes Altern ermöglicht: Verjüngung, Beweglichkeit, Regeneration und Metabolismus im Stoffwechsel-Gliedmaßen-System, rhythmisch belebte Vitalorgane (Herz und Lunge) im Rhythmischen-System und Geistes-Gegenwart (im Geistigen freiwerdende Bildkräfte) im Nerven-Sinnes-System.
Wir laden Sie herzlich zu einem Seminar ein, bei dem aus vielfältigen Perspektiven auf die Leiblichkeit des Menschen geschaut wird, auf seine seelische und geistige Entwicklung, und zwar so, dass wir besser verstehen können, wie Zukunft gestaltet werden kann. Dabei werden verschiedene Fragen leitend sein: Wie kann Altern zwischen Anti-Aging und Pro-Aging neu gedacht, wie ein jeder in Würde alt werden? Welche ganzheitliche Demenzprophylaxe gibt es, welche (Sturz-) Prävention, wenn die Beine nicht mehr tragen. Wie können Heilmittel wie Veratrum album (Weißer Germer), Daucus carota (Wilde Möhre) oder Betula alba (Birke) verstanden und eingesetzt werden. Wie gelingt Lebenskunst und Erotik beim Älterwerden, wie die Biografiearbeit im eigenen Lebenshaus? Ist der Mensch mit Blick auf die Transhumanismus-Diskussion ein Auslaufmodell oder der eigentliche Keim für die Herausforderungen der Zukunft? Besonders freuen wir uns im Rahmen unseres Seminars auf den künstlerischen Abend mit einer Theateraufführung zu dem nobelpreisgekürten Stück »Morgen und Abend« von Jon Fosse.
Unser Stoffwechsel-Gliedmaßen-System ermöglicht uns leiblich auf unserem Weg zu gehen, unser Rhythmisches System vitalisiert fühlend Leben, mit den im Nerven-Sinnes-System freiwerdenden Geisteskräften suchen wir nach unserer Lebenswahrheit. Mit Blick auf eine Weg-, Wahrheit- und Leben-schaffende Kraft kann Zukunft gestaltet werden, u. a. im Sinne von: »Heute ist eine gute Zeit gesunden Alterns«.