Neues aus Medizin und Gesundheit

Die Themen zum Jahresendspurt: Welchen Einfluss haben Umweltgiften auf die Ausbildung einer Parkinson-Erkrankung? Diese Untersuchung einer Fachgesellschaft beleuchten wir genauer. Ebenso eine Studie, die zeigt, dass belastete Produktionsabwässer der Pharmaindustrie weltweit zur Antibiotikaresistenz beitragen. Des Weiteren gibt es eine interessante Erhebung, die zeigt was sich die Bevölkerung vom Gesundheitswesen wünscht und wir weisen auf einen interessanten offenen Brief hin, der die Gründung des BIPAM in seiner aktuellen Form kritisiert. Viel Freude beim Lesen!

Die Meldungen

» Warnung vor möglichem Parkinson-Risiko durch Umweltgifte
» Keine ökologische Nachhaltigkeit der Antibiotikaversorgung
» Bürger:innen wünschen sich Hilfe im Irrgarten des Gesundheitswesens
» Offener Brief an den Bundesgesundheitsminister

Warnung vor möglichem Parkinson-Risiko durch Umweltgifte

Berlin, 04. Dezember 2023. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat auf ihrem Jahrestreffen im November in Berlin betont, dass es bei der Erforschung von neurodegenerativen Alterserkrankungen wie Morbus Parkinson entscheidend ist, verstärkt Umweltfaktoren zu berücksichtigen. Die Inzidenz und Prävalenz von Parkinson nehmen zu, wobei der demografische Wandel als Ursache eine Rolle spielt. Jedoch steigt die Zahl der Parkinson-Erkrankungen überproportional an, was nicht allein durch die Alterung der Gesellschaft erklärt werden kann, so die DGN.
Besonders betont wurde, dass Umwelttoxine in die Entstehung von Parkinson involviert sein könnten. Partikelschadstoffe haben nachweisbare Auswirkungen auf das Nervensystem, doch langfristige Folgen sind oft schwer nachweisbar. Ein Beispiel ist das industrielle Lösungsmittel Trichlorethylen, dessen Rolle bei der Entstehung von Morbus Parkinson diskutiert wird.

Zuviel Pestizide

Die DGN weist darauf hin, dass auch Pestizide im Fokus stehen könnten. Diese Substanzen werden nicht nur mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht, sondern auch mit Alzheimer, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Autismus. Die Kongresspräsidentin Daniela Berg kritisiert, dass die mögliche Bedeutung von Pestiziden in der aktuellen Diskussion zur Reduzierung der Pestizidbelastung und des Glyphosatverbots zu wenig berücksichtigt werde.
Für viele Pestizide wurde ein direkter toxischer Effekt auf das Nervensystem nachgewiesen. Einige werden in der neurologischen Forschung verwendet, um Krankheiten in Tiermodellen auszulösen. Angesichts der rapide steigenden Zahl der Parkinson-Erkrankungen besteht nach Ansicht von Berg ein dringender Bedarf, den möglichen Beitrag von Pestiziden weiter zu erforschen.

Weitere Gifte

Die DGN listet eine Vielzahl von Substanzen auf, die im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen stehen könnten, darunter Feinstaub, neurotoxische Metalle wie Mangan, Blei, Quecksilber und Cadmium, Mikroplastik, Nanopartikel, Mineralöle, chemische Weichmacher und Bisphenol A.
Die Expert:innen der DGN betonen die Notwendigkeit von Forschungsinvestitionen, um die Zusammenhänge zwischen Umwelttoxinen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson aufzudecken und die krankheitsbedingenden Mechanismen zu verstehen. In Anbetracht der Komplexität dieser Problematik ist es von größter Bedeutung, dass Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gemeinsam daran arbeiten, diese potenziellen Ursachen von neurodegenerativen Erkrankungen zu verstehen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

 

Antibiotikaversorgung ökologisch nicht nachhaltig

antibiotikaBerlin, 04. Dezember 2023. Die Einleitung von belasteten Produktionsabwässern der pharmazeutischen Industrie in die Umwelt ist weltweit verbreitet und trägt erheblich zur Entstehung von Antibiotikaresistenzen bei, wie eine Pilotstudie der AOK-Gemeinschaft, dem IWW Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung und dem Umweltbundesamt zeigt.

Handeln erforderlich

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen einen dringenden Handlungsbedarf, der nicht länger in politischen Diskussionen ausgeklammert werden darf, so Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg. Die Arzneimittelversorgung müsse künftig ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig sein.
Bereits vor drei Jahren versuchte die AOK Baden-Württemberg Anreize für eine umweltgerechte Produktion von Antibiotika zu schaffen. Pharmazeutische Unternehmen konnten bei der Vergabe von Arzneimittelrabattverträgen der AOK einen Bonus erhalten, wenn sie sich verpflichteten, wirkungsbasierte Maximalkonzentrationen im Produktionsabwasser einzuhalten.
Die Studie führte seit September 2021 Überprüfungen an zehn Standorten in Indien und Europa durch. Die Ergebnisse sind alarmierend: Bei fast der Hälfte der untersuchten Produktionsstätten wurden massive Überschreitungen der vertraglich zugesicherten aximalen Wirkstoffkonzentrationen im Produktionsabwasser festgestellt.
Besonders besorgniserregend sind die hohen Überschreitungen beim Antibiotikum Ciprofloxacin. Bei diesem Medikament wurde eine Abwasserkonzentration gemessen, die den vertraglich vereinbarten Schwellenwert um 11.000 Prozent überschreitet. Ähnliche Überschreitungen wurden auch bei anderen Antibiotika festgestellt.
Die Studie verdeutlicht, dass belastete Produktionsabwässer ein bedeutender Grund für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen sind, neben dem Risiko durch den massiven Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin. Daher sei es unerlässlich, weltweit die Produktionsbedingungen im Blick zu haben, betonte Malgorzata Debiak, Leiterin des Fachgebiets Arzneimittel am Umweltbundesamt. Antibiotikaresistente Keime könnten nicht durch Landesgrenzen gestoppt werden.

Quellen:

"Antibiotikaresistenzen: Studie zeigt hohen Handlungsdruck“, www.umweltbundesamt.de, 10. November 2023
"Bislang keine ökologische Nachhaltigkeit der Antibiotikaversorgung", www.aerzteblatt.de, 10. November 2023

 

Hilfe im Irrgarten des Gesundheitswesens

IrrgartenBerlin, 04. Dezember 2023. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg wünschen sich Unterstützung von geschultem Gesundheitspersonal, um sich im komplexen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung bevorzugen 73 Prozent der Befragten diese Art der Unterstützung. Die Umfrage, die Ende August und Anfang September unter 1.000 zufällig ausgewählten Personen in Baden-Württemberg durchgeführt wurde, zeigt deutlich den Bedarf an Orientierungshilfe im Gesundheitswesen.

Wunsch nach Gesundheitszentren ist groß

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Umfrage ist die hohe Zustimmung (81 Prozent) zur Einrichtung von Gesundheits- oder Primärversorgungszentren, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Hierbei sollen Ärzte in enger Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen agieren. Die Bekanntheit dieses Konzepts hat sich laut Bosch Health Campus im Vergleich zu einer ähnlichen Umfrage im Februar deutlich gesteigert.
Die Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung variiert je nach Ortsgröße. Zwei Drittel der Befragten bestätigen, dass es in ihrer Nähe eine Hausarztpraxis gibt, und 82 Prozent berichten von kurzen Wartezeiten auf einen Termin beim Hausarzt. Bei Fachärzt:innen hingegen zeigt sich eine Herausforderung, da nur 23 Prozent angaben, ohne längere Wartezeiten einen Termin zu bekommen. Besonders in Städten über 100.000 Einwohner:innen ist die Situation mit 31 Prozent etwas besser.

Mehr Digitalisierung

Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung findet breite Zustimmung im Deutschen Süden. 40 Prozent halten sie für wichtig, 39 Prozent sogar für sehr wichtig. Zusätzlich werden Video- und Telefonsprechstunden von 60 Prozent der Befragten als sinnvolle Ergänzung zum Praxisbesuch befürwortet.
Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen den Bedarf an einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung und unterstreichen die Notwendigkeit, sowohl strukturelle Verbesserungen als auch die Digitalisierung voranzutreiben, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

 

Kritik am neuen Institut für Prävention

BriefBerlin, 04. Dezember 2023. Am 4. Oktober gab das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Gründung des » Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) bekannt. Die Initiative zielt darauf ab, nicht übertragbare Erkrankungen wie Krebs, Demenz und koronare Herzkrankheiten zu verhindern. Parallel dazu soll das Robert-Koch-Institut den Fokus auf die Abwehr von Infektionskrankheiten legen. Diese Strukturreform, so Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, soll lang aufgeschobene Veränderungen anstoßen und die Prävention stärken.

Kritik folgt

Diese Ankündigung erntete promt heftige Kritik, unter anderem durch einen offenen Brief, verfasst von Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, dem Vorstandsvorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Dr. Thomas Götz, Staatssekretär a.D., und über 150 weiteren Organisationen und Einzelpersonen. In dem Brief wird nicht nur die Namensgebung des Instituts bemängelt, sondern vor allem die Ausrichtung. Die Kritiker sehen eine Verengung auf medizinische Prävention, während ein ganzheitlicher Ansatz nötig sei.

Veraltet?

Die Namenswahl des BIPAM wird als problematisch angesehen, da sie ein veraltetes Verständnis von Public Health repräsentiere. Der Brief argumentiert, dass die Gesundheitsförderung mehr als medizinische Aufklärung erfordert. Insbesondere sozialwissenschaftliche Konzepte sind notwendig, um soziale Ungleichheit in Gesundheitschancen zu überwinden.
Die Kritiker betonen, dass die Lebensbedingungen der Bevölkerung für die Gesundheit entscheidender seien als medizinische Prävention und Krankenversorgung. Ihr Appell richtet sich gegen die Beschränkung des Instituts auf die Medizin und fordert eine ganzheitliche, krankheitsübergreifende Strategie.
Die Autor:innen des Briefs plädieren daher für die Einrichtung eines „Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit“. Dieses soll als Koordinierungsstelle für eine differenzierte Gesundheitsförderung und Prävention auf regionaler, lokaler und zielgruppenspezifischer Ebene dienen. Insgesamt fordern sie eine umfassende, dynamische Strategie, die den Begriff Gesundheit aktiv integriert und so den Herausforderungen der Prävention im 21. Jahrhundert gerecht wird.