Neue Impulse für mehr Vernetzung von Wirtschaft, Gesundheit, Pädagogik und Landwirtschaft bei gemeinsamer Veranstaltung am 25. Mai 2011 in Berlin

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(v.l.n.r.) Sylvia Canel (FDP), Kerstin Tack (SPD), Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen), Moderatorin Carla Kniestedt, Karin Binder (Die Linke) und Johannes Singhammer (CDU/CSU). Fotograf: Jan Sterz

Viele Herausforderungen unserer modernen Welt sind zu groß, als dass sie unabhängig von einander gelöst werden könnten. Man weiß heute, dass Gesundheit viel mit Bildung zu tun hat, mit Ernährung bzw. Landwirtschaft und den Arbeitsbedingungen sowieso. Dennoch werden diese verschiedenen Bereiche - auch politisch - oft noch getrennt voneinander betrachtet, so dass Lösungen selten themenübergreifend ansetzen. Wie lässt sich dieses Spartendenken überwinden? Gibt es Modelle mit Vorbildcharakter? Wie lassen sich die Aufgaben sinnvoll miteinander verknüpfen? Diese Fragen standen bei der Veranstaltung "Gemeinsam unterwegs" am 25. Mai 2011 in Berlin im Mittelpunkt.

Eingeladen zu dem Austausch (rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) hatten der Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD), Demeter e.V. sowie der Bund der Freien Waldorfschulen. Damit haben sich erstmalig verschiedene anthroposophisch inspirierte Themenfelder mit ihren wechselseitigen Bezügen im Austausch mit der Politik bei einer gemeinsamen Veranstaltung vorgestellt - durchaus angeregt vom 150. Geburtstag von Rudolf Steiner in diesem Jahr.

Beispiel aus Ägypten mit Vorbildcharakter

Zum Auftakt der Veranstaltung wurde die vielfach preisgekrönte Demeter-Fair-Trade Initiative SEKEM aus Ägypten vorgestellt, die 2003 den Alternativen Nobelpreis bekommen hatte. Eindrucksvoll wurde von Bijan Kafi geschildert, wie der integrative Ansatz von SEKEM funktioniert: 1977 gegründet, ging es von Anfang an darum, materielle und betriebswirtschaftliche Lösungen ganz bewusst mit einem sozialen Auftrag zu verbinden. So ist die Arbeit von SEKEM weit gefasst: Zum einen arbeitet die Landwirtschaft konsequent nach Demeter-Prinzipien, zum anderen geht es gleichberechtigt darum, im sozialen Raum ethisches Unternehmertum zu etablieren und in einer lernenden, lebendigen Gemeinschaft Respekt und Rücksicht für alle Beteiligten zu entwickeln.

Im Laufe der vergangenen Jahre ist die Initiative beständig gewachsen, inzwischen sind zahlreiche Firmen und auch NGO entstanden, die den Bio-Markt sowie das allgemeine Umweltbewusstsein in Ägypten entscheidend gestärkt haben. Auch Bildungseinrichtungen wie Kindergarten und Waldorfschule sowie ein Krankenhaus sind erfolgreich in das Gesamtkonzept von SEKEM integriert. Damit steht die Initiative vorbildhaft für vernetztes Denken und Arbeiten, durch das echte Nachhaltigkeit entsteht. Der Beitrag löste sowohl bei Politik als auch beim Publikum Staunen und Begeisterung hervor: Wieso ist eine solche Arbeit in einem Schwellenland wie Ägypten möglich, nicht jedoch hier in Deutschland?

Impulse für Vernetzung

Die folgenden kurzen Impulsvorträge zeigten weitere Bezüge und Querverbindungen auf: Dr. med. Matthias Girke vom anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe (Berlin) warb für eine Medizin, die neben den körperlichen Symptomen immer auch nach der seelischen Dimension eines Krankheitsbildes fragt und außerdem Räume lässt, in einer Erkrankung auch Potenzial für die eigene seelisch-geistige Entwicklung zu entdecken. Auch die Selbstheilungskräfte des Menschen sollten unbedingt mit einbezogen werden: "Wir brauchen einen konsequent integrativen Therapieansatz, der die Bereiche Ernährung, Bewegung, Lebensstil sowie pädagogische Aspekte mit einschließt".

Godehard Hannig vom Kirchhof in Alheim-Oberellenbach (Nord-Hessen) zeigte anhand von einigen Prinzipien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft auf, dass eine vollwertige und möglichst naturbelassene Ernährung auch langfristig präventiv wirken kann. Auch im Landbau gelte es, andere Bereiche wie Bildung, Integration behinderter Menschen, Zusammenarbeit mit Schulen und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe konsequent mitzudenken: "Die Vision von biologisch-dynamisch ist die Entwicklung des Menschen", fasste Hannig zusammen.

Für das Konzept der Waldorfschulen sprach Iris Didwiszus und erläuterte, was mit "Erziehung zur Freiheit" gemeint ist: "Wir geben den Kindern Raum, ihre eigenen Fragen zu entwickeln". Die individuelle Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder sei das große Ziel einer gelungenen (Waldorf-)pädagogik. Abschließend stellte Nikolai Keller als Geschäftsführer der Firma Weleda vor, was nachhaltiges Wirtschaften bei Weleda bedeutet: "Erfolg bei uns ist immer auf Dauer angelegt, so dass wir Fehler und Rückschläge sogar begrüßen, denn sie zwingen uns dazu, wirklich langfristig über die künftige Entwicklung nachzudenken." Der Gemeinnutzen solle dabei stets im Vordergrund stehen.

Mit der Politik im Gespräch

Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es im Austausch mit der Politik darum, mögliche ressortübergreifende Lösungen zu diskutieren. Als politische Vertreterinnen und Vertreter nahmen Johannes Singhammer (MdB, stellv. Fraktionsvorsitzender, CDU/CSU), Kerstin Tack (MdB, SPD), Sylvia Canel (MdB, FDP), Maria Klein-Schmeink (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) sowie Karin Binder (MdB, Die Linke) teil. Die vorgestellten Ansätze wurden von der Politik in großer Einigkeit mit viel Respekt kommentiert. Manche beeindruckte am meisten, dass die Beispiele für Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit Räume für Entwicklungen (und damit auch für das Lernen aus Fehlern) schaffen, andere sprach besonders das Konzept einer Vernetzung von Landwirtschaft und Gesundheit, Wirtschaftsleben und Pädagogik als zukunftsfähige Vision an. Es wurde teils aber auch selbstkritisch angemerkt, dass die Förderung von vernetzten Perspektiven noch völlig ungelöst sei: "Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden wir global immense Probleme bekommen, zum Beispiel bei der Ressourcenverteilung. Leider haben wir aber noch keinerlei Konzepte, unsere Verantwortung in politische Entscheidungen zu bringen", meinte Maria Klein-Schmeink von den Grünen. Und Kerstin Tack von der SPD warnte: "Unser Wachstum ist nicht unendlich! Wir müssen gemeinsam entscheiden, welche Schwerpunkte zu setzen sind."

Sosehr die Politik also um Visionen ringt, so zeigte dieser Parlamentarische Abend aber auch, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland visionäre und vernetzte Ansätze eher verhindern: "Wir haben leider nicht die Freiheit für ein gleichberechtigtes Nebeneinander von verschiedenen Ansätzen. Das gilt gleichermaßen für die Bereiche Bildung, Medizin und Landwirtschaft. Zu häufig ist die Förderung an den Interessen der Industrie orientiert, zu häufig zählt allein Größe und das, was als Mainstream gilt", kritisierte Godehard Hannig und forderte die Politik auf, die Rahmenbedingungen für mehr Pluralismus in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Im Bereich der Pädagogik könnte das zum Beispiel bedeuten, die Gleichwertigkeit von Waldorfschulen nach Jahrzehnten erfolgreichen Arbeitens endlich in allen Bundesländern staatlich zu gewährleisten (Thema gleichberechtigte Finanzierung, Anerkennung von Abschlüssen, Schülerkopfpauschalen etc.). Für die Medizin gilt, dass Therapiefreiheit und Methodenpluralismus, die in Deutschland gesetzlich verankert sind, so ernst genommen werden müssen, dass die Zugänge zu komplementärmedizinischen Verfahren wie zum Beispiel der Anthroposophischen Medizin nicht aufgrund von finanziellen Nachteilen eingeschränkt werden dürfen. In der Landwirtschaft darf der Wettbewerb nicht zugunsten industrieller Landwirtschaft verzerrt werden, der Ökolandbau sollte durch Forschung und einen Aktionsplan deutlich stärker gefördert werden. Auch eine ganzheitliche Ernährungsbildung, die langfristige Gesundheit ermöglicht, wäre extrem sinnvoll.

Diese Forderungen - und mache Äußerung bei der Veranstaltung - machen deutlich: Es gibt noch viel zu tun, um themenübergreifende Perspektiven zu stärken. Der Dialog soll also in jedem Fall fortgesetzt werden.

Die Veranstaltung fand in den Räumen der GLS-Bank, die ihren unternehmerischen Erfolg stark an soziale Verantwortung koppelt, statt. Das Catering (vorwiegend Demeter-Produkte) wurde von der Schulküche der Freien Waldorfschule Kreuzberg in Berlin bereitgestellt.

Pressekontakte:

Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland e.V. (DAMiD)
Natascha Hövener, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon 030-28 87 70 94, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Demeter
Renée Herrnkind, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon 06155-84 69 50, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Bund der Freien Waldorfschulen
Celia Schönstedt, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon 0711-210 42 40, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Der DAMiD repräsentiert die Anthroposophische Medizin in allen gesellschaftlichen Bereichen des deutschen Gesundheitswesens. Als Dachorganisation vertritt der Verband die übergeordneten Belange und Interessen seiner 17 Mitglieder. Mitgliedsorganisationen sind Berufs- und Patientenverbände, Klinikverband, gemeinnützige Altenhilfe, Behindertenhilfe sowie Hersteller Anthroposophischer Arzneimittel.