Vier Themen der vergangenen Wochen fassen wir für Sie hier zusammen: Zum einen beleuchten wir die Kritik am neuen Bundesklinikatlas, zum anderen stellen wir Ihnen das Forderungspapier nach einer grundlegenden Reform des Gesundheitssystems vom Hartmannbund und dem BKK-Dachverband vor. Auch haben wir zwei interessante Studien gefunden. Die eine untersucht die Kosten von Bewegungsmangel, die andere zeigt, dass die Zahl der jugendlichen Raucher seit 2001 gesunken ist.

Die Meldungen

» Kritik am Klinikatlas
» Bewegungsmangel kommt uns teuer zu stehen
» Deutlicher Rückgang jugendlicher Raucher:innen seit 2001
» Grundlegende Reformen nötig

Kritik am Klinikatlas

Berlin, 04. Juni 2024. Ärzte und Krankenhäuser üben deutliche Kritik am neuen » Bundesklinikatlas. Sie bemängeln, dass er nicht laienverständlich sei und Patient:innen nicht helfe, die richtige Behandlung zu finden. Zudem enthalte der Atlas teils fehlerhafte Daten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprach ein Update mit Verbesserungen.

Funktionen des Bundesklinikatlas

Der seit einer Woche online verfügbare Bundesklinikatlas soll Patient:innen und Ärzt:innen über die Leistungen und Kapazitäten der knapp 1.700 somatischen Krankenhäuser informieren. Er zeigt Behandlungszahlen, Pflegekräftequoten, Mindestmengen, Notfallstufen und ausgewählte Zertifikate an. Grundsätzlich könnte der Atlas die Qualität und Leistungen des Versorgungsangebots transparent und vergleichbar darstellen, so die Kliniken. Initiativen zur Verbesserung der Versorgungsqualität seien zu begrüßen.

Kritikpunkte der Ärzte und Krankenhäuser

Der Atlas richtet sich auch an Ärzt:innen, die Krankenhauseinweisungen vornehmen. Allgemeinmediziner Nicolas Kahl aus Nürnberg bemängelt, dass der Bundesklinikatlas Operationen und Behandlungen in komplexen Begriffen darstellt, die für Laien schwer verständlich sind. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke kritisiert, dass ihre Informationen veraltet und unvollständig sind. So fehlen beispielsweise Angaben zur Erwachsenenpsychiatrie, Psychosomatik sowie zur Kinder- und Jugendpsychiatrie. Außerdem sei die Bettenzahl mit 325 statt der tatsächlichen 528 angegeben.

Weitere Kritikpunkte

Der Verband leitender Krankenhausärzte (VLK) weist auf grobe handwerkliche Fehler hin. Der Bundesverband Pflegemanagement betont, dass wichtige Aspekte wie das Zusammenspiel von pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen sowie die Ausstattung mit Medizintechnik und der Grad der Digitalisierung keine Berücksichtigung finden. Universitätskliniken schneiden durch die gewählte Darstellung schlechter ab.

Fehlende Einbeziehung von Fachexpertise

Dass es keine Möglichkeit gab, die Daten im Vorfeld zu prüfen oder den Atlas in Pilot-Einrichtungen zu testen, kritisiert Sarah Lukuc, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Pflegemanagement. Schwachstellen hätten so identifiziert und Fachexpertise eingebracht werden können. Der erneute Alleingang des Bundesgesundheitsministeriums verschärfe den Arbeitsalltag in den Kliniken weiter, so die Vorstandsvorsitzende.

Warnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt vor der Nutzung des Bundesklinikatlas. Die stellvertretende Vorsitzende der DKG, Henriette Neumeyer, kritisiert, dass zahlreiche falsche und fehlende Daten Patient:innen in die Irre führen könnten. Lauterbach erklärte auf einer Pressekonferenz, dass die Mängel bekannt seien und ein Update des Atlas geplant sei, um die Probleme zu beheben.

Quellen:

„Kritik am Bundesklinikatlas: Zu komplex und teils fehlerhaft“, www.aerzteblatt.de, 24. Mai 2024
„Fehlerhafte Darstellung im Bundes-Klinik-Atlas“, www.gemeinschaftskrankenhaus.de, 24. Mai 2024

Bewegungsmangel kommt uns teuer zu stehen

Berlin, 04. Juni 2024. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderate bis anstrengende Bewegung pro Woche, um gesund zu bleiben und Krankheiten vorzubeugen. In Deutschland erreichen jedoch weniger als 25 Prozent der erwachsenen Bevölkerung dieses Ziel. Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) analysierten die Daten von 157.648 Teilnehmenden der » NAKO Gesundheitsstudie, Deutschlands größter epidemiologischer Bevölkerungsstudie. Die Teilnehmenden machten Angaben zur körperlichen Aktivität in den Bereichen Freizeit, Arbeit und Fortbewegung. Diese Aktivitäten wurden gemäß den WHO-Empfehlungen in „ausreichend“ bzw. „unzureichend“ eingestuft.

Gesteigerte Gesundheitskosten

Die Forschenden stellten fest, dass unzureichend aktive Menschen höhere geschätzte Gesundheitskosten verursachen. Interessanterweise waren höhere Aktivitätslevel in der Freizeit mit niedrigeren Kosten assoziiert, während höhere körperliche Aktivität bei der Arbeit mit höheren Kosten verbunden war. Dr. Sophie Gottschalk vom UKE erklärte dies mit möglichen Risikofaktoren am Arbeitsplatz wie schwere körperliche Arbeit und Fehlhaltungen.
Menschen, die nicht ausreichend aktiv sind, haben im Durchschnitt jährlich 188 Euro höhere Gesundheitskosten. Berücksichtigt man zudem indirekte Kosten, steigen diese Ausgaben auf etwa 482  Euro im Jahr im Vergleich zu ausreichend aktiven Personen. Die Schätzung der Gesundheitskosten basiert auf Angaben zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in den letzten 12 Monaten sowie auf Produktivitätsverlusten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten und Frühberentung.

Weitere Studien nötig

Die Studie liefert wichtige Hinweise auf die ökonomischen Auswirkungen unzureichender körperlicher Aktivität. Es müssen jedoch Einschränkungen beachtet werden, da die Angaben zur körperlichen Aktivität und den Kosten auf Selbstangaben basieren. Außerdem handelt es sich um eine Momentaufnahme, da nur ein Befragungszeitpunkt berücksichtigt wurde.
Dennoch bieten die Erkenntnisse einen wichtigen Anhaltspunkt für weitergehende Studien. Künftige Forschungen könnten untersuchen, wie körperliche Aktivität und Gesundheitskosten über einen längeren Zeitraum zusammenhängen und welchen Einfluss chronische Krankheiten darauf haben.

Deutlicher Rückgang jugendlicher Raucher:innen seit 2001

Berlin, 04. Juni 2024. Neue repräsentative Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), veröffentlicht anlässlich des Weltnichtrauchertages am 31. Mai 2024, zeigen einen deutlichen Rückgang der Raucher:innenquote unter Jugendlichen.

Bei den 12- bis 17-Jährigen stieg der Anteil derjenigen, die nie geraucht haben, auf rund 83 Prozent, und bei den 18- bis 25-Jährigen auf rund 47 Prozent. Der Anteil männlicher jugendlicher Raucher sank von 27,2 Prozent im Jahr 2001 auf 7,2 Prozent im Jahr 2023. Bei den weiblichen Jugendlichen verringerte sich der Anteil von 27,9 Prozent im Jahr 2001 auf 6,4 Prozent im Jahr 2023. Auch bei den 18- bis 25-Jährigen ging der Anteil der Rauchenden zurück, mit 33,6 Prozent der jungen Männer und 18,4 Prozent der jungen Frauen, die derzeit rauchen. Dabei erfreuen sich E-Zigaretten, insbesondere Einwegvarianten, in beiden Altersgruppen großer Beliebtheit.

Aufklärung weiter vorantreiben

Burkhard Blienert, der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, lobte die bewusste Gesundheitsentscheidung vieler Jugendlicher, betonte jedoch die Notwendigkeit, die Bemühungen gegen das Rauchen fortzusetzen. Er wies darauf hin, dass jährlich fast 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben und Lungenkrebs eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland ist.
Johannes Nießen von der BZgA ergänzte, dass trotz des Bewusstseins über die Schädlichkeit des Rauchens bei Jugendlichen, die Risiken von E-Zigaretten oft unterschätzt würden. Er betonte die Notwendigkeit verstärkter Aufklärungsmaßnahmen, besonders im Hinblick auf Einweg-E-Zigaretten.

Grundlegende Reformen nötig

reformenBerlin, 04. Juni 2024. Der Hartmannbund (HB) und der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) fordern eine grundlegende Neuausrichtung des deutschen Gesundheitssystems. In einem gemeinsamen Positionspapier betonen sie die Notwendigkeit umfassender Reformen.

Die Verbände kritisieren das bestehende Gesundheitssystem als überkomplex, intransparent und teuer. Patient:innen hätten unstrukturierten Zugang zu medizinischen Leistungen, während die Digitalisierung weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibe. Politische Reformen hätten bislang keine wesentliche Entlastung gebracht.

Fokussierung auf Prävention

Das Papier fordert, die Gesundheitsversorgung stärker auf dringende Patient:innenenfälle und Prävention auszurichten. Dazu seien klare Leitplanken für die Patient:innensteuerung erforderlich. Zudem müssten Patient:innen mehr Eigenverantwortung bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen übernehmen.

Digitalisierte Versorgungsebene als Lösung

Klaus Reinhardt, Vorsitzender des HB und Präsident der Bundesärztekammer, fordert eine bessere Führung der Patient:innen im Versorgungssystem durch klar erkennbare Behandlungspfade. Eine primär digitale Versorgungsebene solle Patient:innen intuitiv und automatisiert zur passenden Versorgungsebene leiten. Symptom-Checker zur Selbsteinschätzung könnten hierbei eine wichtige Rolle spielen, indem sie Patient:innen bedarfsorientiert weiterleiten und das System entlasten.

Strukturprobleme als Ursache vieler Versorgungsprobleme

HB und BKK sehen die Ursache vieler heutiger Versorgungsprobleme in strukturellen Defiziten. Der Personalmangel im Gesundheitssystem beruhe vor allem auf einem Verteilungs- und Zuordnungsproblem von Patient:innen, die ungesteuert auf unvorbereitete Strukturen träfen. Dies führe zu unnötigen Ärzt:innenkontakten und binde wertvolle Zeit und Ressourcen.

Forderung nach innovativem Ansatz

Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes, fordert einen völlig neuen, innovativen Ansatz. Nur durch intelligente Steuerung des Zugangs zum System, Stärkung der Prävention und optimale Nutzung vorhandener Ressourcen könne die Gesundheit der Bevölkerung verbessert und die Resilienz des Systems gestärkt werden. Damit solle das solidarische Gesundheitssystem zukunftsfähig gemacht werden.