Stethoskop / Behandlung

Covid-19 braucht mehr als eine rein medizinische Antwort: die Anthroposophische Medizin fordert eine Erweiterung der Perspektive und mehr Mut zu integrativen Therapiekonzepten

Berlin, 19. Juni 2019. Covid-19 ist viel mehr als „nur“ eine medizinische Bedrohung. Alle Lebensbereiche waren bzw. sind von der Pandemie betroffen. In Deutschland ist der Verlauf zurzeit recht gut unter Kontrolle, auch das Gesundheitswesen ist – entgegen mancher Befürchtungen – nicht kollabiert. Vieles normalisiert sich wieder.

Erweiterte Perspektive

Natürlich hat sich auch die Anthroposophische Medizin in die Behandlung von Covid-19 eingebracht und sich an den regionalen Versorgungskonzepten ambulant und stationär beteiligt. Nach diesen ersten Wochen regt die Anthroposophische Medizin nun an, die reine Fokussierung auf das Virus gegen eine erweiterte Perspektive zu tauschen. Wie ein solcher Perspektivwechsel aussehen könnte, haben anthroposophische ÄrztInnen beim Online-Seminar „Covid-19-Pandemie: Unsicherheit und Perspektiven“ am 12. und 13. Juni 2020 vorgestellt. Zu diesem Webinar haben sich mehr als 3.500 TeilnehmerInnen aus 53 Ländern registriert.

„Bislang haben wir uns fast ausschließlich auf das Virus und die Vermeidung von Infektionen konzentriert. Auch die Hoffnung auf eine Impfung und die Entwicklung virostatischer Medikamente gehen in diese Richtung. Wir sollten aber auch den Wirt, also die Antwort des menschlichen Organismus auf die Infektion, stärker in die Perspektive einbeziehen“, meint Dr. Thomas Breitkreuz, Facharzt für Innere Medizin, Ärztlicher Direktor der Filderklinik und Vorstand der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD): „Das Virus ist ja an sich immer dasselbe, die sehr unterschiedlichen klinischen Verläufe – von keinerlei Symptomen über Lungenversagen bis hin zum Multiorganversagen – hängen stark davon ab, wie der Organismus reagiert. Wir anthroposophischen ÄrztInnen versuchen deshalb, nicht nur das Virus zu bekämpfen, sondern auch den gesamten Organismus so zu stärken, dass es zu einer kompetenten Immunantwort kommt, so dass schwere Verlaufsformen vermieden werden können.“

Integrativ ansetzen

Der Internist geht davon aus, dass die Integrative Medizin, also die sinnvolle Verknüpfung von Schul- und Komplementärmedizin, hier gute Behandlungsstrategien entwickeln kann: „Momentan steckt die Entwicklung einer erfolgreichen Standardtherapie von Covid-19 international noch in den Kinderschuhen. In den anthroposophischen Kliniken beteiligen wir uns an diesen Entwicklungen und haben unsere Intensivstationen und Covid-19-Behandlungsbereiche entsprechend aus- und aufgerüstet. Zusätzlich setzen wir auf ergänzende Verfahren und Arzneimittel, die sich bei anderen schweren Viruserkrankungen der Atemwege in unseren Kliniken über viele Jahre bewährt haben. So haben wir begonnen, in einer klinikübergreifenden Zusammenarbeit und mit Beteiligung an Registerstudien schrittweise Covid-19-spezifische Therapieprotokolle zu entwickeln.“

Die Erforschung dieser integrativen Therapiekonzepte sei extrem wichtig: „Derzeit tragen wir erste klinische Erfahrungen zusammen und es wäre zu früh, daraus jetzt schon weitgehende Schlüsse zu ziehen. Wir benötigen eine gute wissenschaftliche Aufarbeitung der integrativen Therapien, um zu klären, was wirklich hilft – und das auch quantifizieren zu können. Hier haben wir, wie überall bei Covid-19, noch große Herausforderungen vor uns.“

Soziale, ökologische und wirtschaftliche Dimension mitdenken

Ein weiterer Schwerpunkt, der in der Anthroposophischen Medizin intensiv diskutiert wird, ist die soziale Dimension von Covid-19: „Wie auch immer der weitere Verlauf der Pandemie sein wird – man kann jetzt schon sagen, dass das Virus unsere Gesellschaft verändert hat. Ängste, Unsicherheiten und Polarisierungen nehmen zu. Dem wollen wir mit offenen Fragen begegnen: Was lehrt uns die Krise?“, ergänzt Philipp Busche, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie sowie ebenfalls Vorstandsmitglied in der GAÄD.

„Jede Krise kann Chance oder Kränkung sein. Wir wollen Mut machen, die Krise tatsächlich als Anstoß für Veränderungen in der Medizin zu verstehen. Wir erleben in der Medizin Beziehungslosigkeit und eine extreme Ökonomisierung. Das erschwert die Vertrauensbildung, die die Grundlage einer wirklich menschlichen Medizin sein muss“, sagt Busche. „Gesundheit ist eben kein rein medizinisches Thema. Die Verhinderung von Pandemien braucht auch ein neues Verhältnis zur Landwirtschaft, insbesondere zur Tierhaltung. Die aktuelle Wirtschaftskrise regt an, Geld neu zu denken. Der Blick in die Schulen zeigt: Wir brauchen eine Pädagogik, die es auch in Krisenzeiten schafft, neben Wissensvermittlung Persönlichkeitsentwicklung, Beziehungsfähigkeit und Gesundheit zu fördern. Um diese Lebensfelder mitzudenken, brauchen wir dringend mehr interdisziplinären Austausch. Dafür macht sich die Anthroposophische Medizin heute mehr denn je stark.“

Der Abruf der Video-Beiträge des Webinars „Covid-19-Pandemie: Unsicherheit und Perspektiven“ ist für registrierte TeilnehmerInnen in Kürze möglich.

 

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